Edathy

Ich habe mich ja lange zurückgehalten, weil mich das Verfahren einfach nicht interessiert hat, aber jetzt kann ich nicht mehr anders:

Was die Justiz sich da geleistet hat, ist kaum zu rechtfertigen. Sowohl das Ansehen der Justiz (so denn überhaupt existent...), als auch das Vertrauen der Bürger, als auch das Vertrauen der Strafverteidiger und sämtlicher Staatsrechtler dürfte auf Jahre hin beschädigt sein. Nun könnte man ja den alten Amtsrichterspruch bringen, dass das Ergebnis schon stimmen muss, wenn keiner damit zufrieden ist, aber in dieser Sache ist er doch wohl anders:

Was hätte denn dagegen gesprochen, wenn das Gericht mit allen Beteiligten nicht bloß über das "angebliche Geständnis" und seinen technokratischen Ablauf verhandelt hätte, sondern über echte Maßnahmen und Hilfen für den Angeklagten, wie z.B. die Teilnahme an dem Pädophilen-Hilfe-Projekt der Charité Berlin https://www.kein-taeter-werden.de/ Also über die Folgen der vorgeworfenen Tat selbst, was ja eigentlich auch dann Aufgabe des Gerichts ist, wenn eine Einstellung nach §§ 153 oder 153a StPO im Raum steht. Schließlich wäre eine mögliche Auflage im Rahmen des § 153a StPO auch gewesen, den Angeklagten zur Wiedergutmachung zu verpflichten!

Hier noch mal der Wortlaut des § 153a StPO:


"StPO § 153 a 
 (1) 1Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. 2Als Auflagen und Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
  • 1.zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
  • 2.einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
  • 3.sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
  • 4.Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
  • 5.sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
  • 6.an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen [...]"

Die Variante der Wiedergutmachung dürfte bei den anonymen Opfern zwar ausscheiden, aber damit werden diejenigen Varianten der Auflagen umso wichtiger, die sich mit dem Angeklagten selbst beschäftigen.

Also, warum hat dem Angeklagten Edathy niemand die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs vorgeschlagen, oder andere Maßnahmen zur Wiedergutmachung? Warum nur Geld, die in diesem Fall sinnloseste Variante von allen?

Das wäre mal ein Signal gewesen, und nicht das unwürdige Gehampel um die Einstellung! Insofern Hut ab vor dem Kinderschutzbund, der dieses eigentlich so nützliche Geld nun wirklich nicht annehmen wollte! Ich hoffe, Herr Edathy spendet es anonym dennoch!

Für die, die den Rechtsstaat und die Unschuldvermutung jetzt in Gefahr sehen: Solche Gespräche kann man ganz wunderbar im Rahmen der Gespräche über das Verfahren und die geplante Einstellung nach § 257c StPO führen, ohne irgendwelche Rechte zu verletzen. Und derartige Gespräche - nur mit anderem Inhalt - sind ja nun ganz offensichtlich geführt worden, auch wenn die Beteiligten sie vielleicht nicht so nennen wollen...


Übrigens noch ein Punkt, den das Gericht nicht gerade gut gelöst hat. Denn die eigentlich geforderte Transparenz hätte hier vielleicht noch etwas gerettet. Zumindest hätte sie vielleicht verhindert, dass der Meinungskampf nun in den Zeitungen, den Kommentarspalten und den sozialen Netzwerken weitergeführt wird mit allen unappetitlichen Nebenfolgen, wie dem Widerruf des Geständnisses durch Edathy auf der einen Seite und Drohungen bis hin zum Mord auf der anderen Seite.

Noch einen Frage für die Experten: Wieso war das überhaupt die 2. Strafkammer des Landgerichts? Das ist doch eine Jugendschutzsache, und für die ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Verden eigentlich die 3. Strafkammer als Jugendschutzkammer zuständig. Das ist vielleicht nicht ganz unbedeutend, denn in der Jugendschutzkammer sitzen eigentlich Richter, die sich mit so was besser auskennen.

Hat sich damit schon mal jemand beschäftigt? Frau Ramelsberger, Frau Friedrichsen, Herr Prantl, schon mal nachgeforscht?

Nun ja, dann schauen wir jetzt mal weiter, wer sich nicht zu schade ist, die 5.000 € zu nehmen. Ich wette auf die Staatskasse, die ist ja immer gut genug...


Hier noch mal die Werbung für das Projekt der Charité Berlin:

Seitenkopf

lieben sie kinder mehr, als ihnen lieb ist?

Das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ bietet ein an allen Standorten kostenloses und durch die Schweigepflicht geschütztes Behandlungsangebot für Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und deshalb therapeutische Hilfe suchen. Im Rahmen der Therapie erhalten die betroffenen Personen Unterstützung, um mit ihrer pädophilen oder hebephilen Neigung leben zu lernen und sexuelle Übergriffe durch direkten körperlichen Kontakt oder indirekt durch den Konsum oder die Herstellung von Missbrauchsabbildungen im Internet (sogenannte Kinderpornografie) zu verhindern.
 


Material: kein-taeter-werden.de

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